09.09.2004 Die Nacht, in der alles ging...




Schon morgens wusste ich nach dem Anschauen der Wettermodelle, dass dies die Nacht der Nächte werden würde. Alles lag ganz klar vor mir. Es sollte eine Nacht mit super Durchsicht werden, eine Nacht, wie man sie bei uns vielleicht nur 5 mal im Jahr antrifft.

Und um es gleich zu sagen: ich hatte mich nicht geirrt!!! Die Transparenz war phänomenal, daher jagte auch ein Highlight das nächste. Hier mal kurz die Dinge, die mich heute Nacht am meisten beeindruckt haben:

Der neuentdeckte Komet Machholz und SWAN, dann die wunderschönen Gasnebel um Gamma Cygni, Farben im Orion-Nebel, der Pferdekopfnebel, der Crescent-Nebel NGC 6888 im Schwan, der als gefüllte Gasblase erschien, der Zirrusnebel mit allen 5!!! Teilen, die Spiralarme von M33, die Staubbänder der Andromedagalaxie und als es morgen wurde, Merkur der mit Regulus einen wunderschönen Doppelstern gebildet hat. Aber nun alles der Reihe nach:

Die Wetterbedingungen:

Oben auf dem Hohloh auf 1000mNN angekommen, begrüßte mich ein sehr starker Wind, der ebenfalls von den Modellen so berechnet wurde. Ich wollte es erst gar nicht so recht wahrhaben, da es unten im Rheintal ziemlich windstill war. Aber hier oben pfiff der Wind mit Geschwindigkeiten an die 50km/h hörbar in den Bäumen, was natürlich nicht so angenehm war. Schon als ich ausstieg, leuchtete der Horizont in den schönsten Blau- und Grüntönen, was auf einen super Himmel hindeutete. Zuerst hab ich natürlich das Teleskop aufgebaut, dann musste ich sogar mein Auto als Windschutz hinstellen, damit mir nicht alles davonflog. Tja, was macht man nicht alles für so einen schönen Himmel...

Ich war keine 10 Minuten oben, als ich auch schon die Milchstrasse über mir leuchten sah, obwohl ich noch ohne Licht lesen konnte und es noch fast hell war. Schon das sprach für die außergewöhnliche Transparenz des Himmels und als es dann endlich ganz dunkel war, konnte man mit bloßem Auge nicht nur den Nordamerikanebel sehen: Überall waren Dunkelwolken und Sternwolken zu sehen, die bis hinunter an den Horizont reichten. Der Schütze strahlte in einer Pracht, wie ich es noch nie zuvor erlebt habe. Als würde er im Zenith stehen...

Die Beobachtungen:

Nachdem ich mich warm angezogen hatte, es war nur an die 12°C warm, wobei der starke Wind die gefühlte Temperatur auf Gefrierpunktniveau drückte, konnte es mit den Beobachtungen losgehen. Zuerst einmal suchte ich die ganzen Kugelsternhaufen im Schützen auf, die ich noch für mein Projekt brauche. Das waren M54, M69 und M70, die tief am Horizont herumschlichen.

Natürlich musste ich mir auch die ganzen Nebel anschauen. Schon ohne Filter waren super viele Details zu erkennen, die ich sonst nur mit Nebelfilter kannte. Mit Filter war zum Beispiel der Schwanennebel so strukturreich, wie man es sonst nur auf Fotos kennt. Es waren wirklich extrem viele Nebelfetzen und Ausläufer sichtbar.. Ich konnte mich kaum satt sehen.

Nach den ganzen Nebeln ging es auf Kometenjagd: Zuerst einmal stand C/2004 H6 SWAN auf dem Plan, der eine Helligkeit von 12m2 hat. Nachdem ich ihn ein paar Nächte zuvor nicht gefunden hatte, fragte ich mich nun, warum das so schwer war. Schon bei 100x war er als kleines Wölkchen zu sehen. Dann kam C/2001 Q4 Neat an die Reihe. Hier konnte ich ebenfalls ein schwaches Wölkchen wahrnehmen, das aber wesentlich größer als noch vor ein paar Tagen erschien. Ja, der Himmel war einfach phänomenal!!!!!!!!

Um das ganze abzurunden, ging es zum Asteroiden Toutatis, der sich der Erde schon auf 18.9 Millionen Kilometer genähert hatte. Mit einer Helligkeit von 12m1 war er sehr einfach zu finden und schon innerhalb von einer halben Stunde konnte man seine Bewegung nachvollziehen.

Anschließend ging es in den Schlangenträger, wo ich ebenfalls mal wieder die ganzen Kugel- sternhaufen für mein "Messier- Projekt" gezeichnet hab.

Nun kletterten auch so langsam die Herbststernbilder in die Höhe. Die Andromeda- galaxie erschien sogar schon in meinem Sucher als riesiger Nebelfleck. Auch diese Ausmaße waren mir völlig unbekannt. Im Teleskop konnte ich schon bei 50 fach die Staubbänder und die Sternwolke ausmachen, bei 100x wurden dann auch die schwachen Ausläufer mit feinen Verdickungen sichtbar. Leider konnte ich keine Zeichnung machen, da das Objekt einfach zu groß ist und ich mir da erst einen Vordruck machen muss, um alles erfassen zu können.

Dann kam M33 an die Reihe. Wenn man sich diese Galaxie von unten aus dem Rheintal anschaut, wird man nicht viel mehr als einen blassen Nebelfleck sehen. Das sieht dann total enttäuschend aus. Nimmt man ein größeres Teleskop, sieht man einen helleren Nebelfleck ohne viel Details. Das ganze wird einfach nur ein wenig heller. Nimmt man dagegen ein kleines Teleskop und hat einen solchen Himmel wie ich gestern Nacht, dann erkennt man nicht nur die Spiralarme, sondern auch Verdickungen und Gasnebel in dieser Galaxie. Es war wirklich Genuss pur, die Spiralarme zu verfolgen, Verdickungen und Knoten darin auszumachen und auf die Jagd nach HII- Regionen zu gehen...

Anschließend hab ich einfach mal so durch die Gegend geschaut. Bei den Plejaden waren die Reflexionsnebel sichtbar, der Nordamerikanebel zeigte sich schon locker im 9x50 Sucher als heller Nebel und beim Zirrusnebel waren alle 5!!! Teile sehr einfach zu sehen, auch schon ohne Nebelfilter.

Danach hab ich mir mal wieder ein paar unbekannte Sternhaufen angeschaut. Heute waren mal die King´s, Dolidze´s und Ruprecht´s an der Reihe. Auch hier findet man immer wieder ganz interessante Objekte. Also Leute, bewegt euch mal weg von den alten Messier und NGC- Dingern und helft mit, auch unbekannte Objekte zu beobachten!!! Und noch viel besser wäre es, wenn ihr diese Beobachtungen dann bei der DSD eintragt!!

Nach einer Pause ging es dann wieder ans Zeichnen. Hier hab ich mir mal die Region um Gamma Cyg vorgenommen, die man eigentlich nur von Fotos her kennt. Ich hab bis jetzt noch nie irgendwas über visuelle Beobachtungen gelesen, deswegen war ich selbst sehr gespannt, was ich erkennen würde. Also eine 50x Vergrößerung mit UHC- Filter rein und eingestellt. Ich war total überrascht: Der Nebel mit seiner berühmten Zweiteilung stand hell im Okular. Leider passte er nicht so ganz rein. Neben den Nebelteilen mit hellen Stellen waren auch die Dunkelwolken sehr schön erkennbar. Einfach nur toll!!!!

Dann hatte ich ein kleines Problem: Heute Nacht schien alles möglich zu sein. Jedes noch so schwierige Objekt. Sollte ich den Crescent Nebel NGC6888 zeichnen, oder mal Jagd auf den California- Nebel NGC 1499 machen, oder vielleicht doch lieber Pickerings Triangular Whisp?? Was war mit IC 59 und IC 63 in der Cassiopeia?? Oder vielleicht doch der Bubble- Nebel NGC 7635?? Oder sollte ich doch besser den riesigen Emissionsnebel IC1396 mitsamt Dunkelwolken und Sternhaufen auf´s Korn nehmen?? Und dann gab es da ja noch den Pacman- Nebel NGC 281 in der Cassiopeia.... Auch der Orion stand schon hell am Himmel... Wie wäre es mit "The running man" ??

Ok, um es kurz zu machen: Angeschaut hab ich sie mir alle!!! Und überall konnte ich Strukturen und Details erkennen, die ich so nur von Fotos her kannte... Gezeichnet hab ich dann den Crescent Nebel, der nicht nur wie sonst als kleiner, schwacher Bogen erschien, sondern als richtige Gasblase. Ich liebe diesen Himmel!!!!!!!! Auch NGC 281 hab ich gezeichnet, da ich diesen als kleiner Steppke von 13 Jahren auch nie finden konnte!!! Es ist für mich immer wieder schön, Sachen zu beobachten, wo ich mir immer gewünscht habe, diese mal mit eigenen Augen zu sehen...

Zum Schluss kam dann das Objekt, auf das ich schon die ganze Nacht gewartet hatte:

Der Komet C/2004 Q2 Machholz!!!

Da er erst vor kurzem entdeckt worden war, war ich sehr gespannt auf meine Erstsichtung. Nach kurzer Suche konnte ich ihn in einer Höhe von nur 10° über dem Horizont als hellen Nebel sichten, der einen schwachen, stellaren Kern aufwies. Und das bei einer Helligkeit von nur 10m5. Da sieht man mal, wie super die Durchsicht auch am Horizont war.

Da ich schon mal in der Ecke war, musste ich natürlich auch einen Blick auf die beiden Paradeobjekte des Winterhimmels werfen: Der Orionnebel M42 und der Pferdekopfnebel B33. Ersterer erschien mit Nebelfilter als fast geschlossener Ring, nicht wie sonst nur als Nebel mit zwei Schwingen. Innendrin waren natürlich eine Menge Details sichtbar, man wusste gar nicht mehr, wo man hinschauen sollte. Auch eine Farbe konnte ich ausmachen. Der Nebel an sich erschien in einem sanften Grün. Ich konnte es kaum glauben: Farben bei einem Gasnebel!!!

Somit ging es noch auf einen Abstecher zum Pferdekopf, der mit indirektem Sehen nicht wirklich schwierig war. In dieser Nacht war wirklich alles möglich!!!!

Nach einem kurzen Blick auf Mond, Venus und Saturn fiel mir tief über dem Horizont ein heller Stern auf. Eigentlich dachte ich zuerst an Regulus im Löwen, doch dann ist mir direkt neben dran ein weiterer, genauso heller Stern aufgefallen. Zuerst dachte ich, dass ich vielleicht doch übermüdet bin, aber als ich auch im Fernglas zwei sehr helle Sterne erblickte, war mir klar, dass das nur Merkur sein konnte. Was für ein Anblick!!! Das hat extremen Seltenheitswert, dass man einen hellen Planeten in nur 4 Bogenminuten Abstand von einem genauso hellen Stern findet. Die beiden standen enger zusammen, als Mizar mit seinem Reiterlein. Es sah einfach genial aus!!!

Ja, und dann wurde es auch schon wieder Zeit zum Abbauen , da ich nur noch eine dreiviertel Stunde Zeit hatte, um nach Karlsruhe ins Krankenhaus zu kommen, wo ich noch arbeiten musste. Aber mit den Eindrücken arbeitete es sich viel leichter, auch wenn ich total müde war, aber ich bereue keine Minute, die ich oben war.