Was für ein schöner Frühlingstag, auch wenn wir erst Februar haben. Also dachte ich mir heute Abend spontan, dass es toll
wäre, für ein paar Stunden Sterne schauen zu gehen. Oben angekommen erwartete mich ein wunderbares Dunkelblau, unter mir die
Inversion. Dazu war es mit +12°C sehr warm, so dass ich lediglich in Turnschuhen, Jeans und meiner normalen Winterjacke oben
stand. Einfach klasse!
Als immer mehr Sterne zu sehen waren, machte ich mich an ein paar Sternhaufen in der Cassiopeia. Schließlich muss man sich
ja mit irgendwas die Zeit vertreiben, bevor man richtig loslegen kann. Dann war es soweit und das letzte Dämmerungslicht wich
einem sehr transparenten Himmel mit 6.2 mag fst.
Den Anfang machte gleich ein besonderes Objekt. Vor knapp einem Monat ist in der Galaxie NGC 524 im Sternbild Fische ein
Stern zu einer Supernova geworden und hört seitdem auf den Namen SN 2008Q. Leider stand die Gx hinter meinem
Windschutz, so dass ich erst mein Dobson ein wenig versetzen musste. Nach einem 6 Grad Starhop war ich nach ner Minute an der
gesuchten Stelle. Bei 120x war die Galaxie wunderbar zu sehen, ein diffuses Oval mit einem hellen Kern. Da ich eine aktuelle
Aufnahme dabei hatte, konnte ich die Supernova auch gleich identifizieren. Die Helligkeit lag bei geschätzten 14.2mag, sollte
also schon mit Teleskopen ab 20-25cm aufwärts gehen.
Anschließend machte ich mich auf ins Sternbild Widder, wo momentan der Komet 46P/Wirtanen sein Unwesen treibt.
Komisch, dass man von dem so gut wie nix hört, ist er doch schon um die 9mag hell. Naja, mir kann's egal sein, ich hab ihn
gesehen. Bei 140x mit UHC-S zeigte sich eine große und recht helle Wolke, die zur Mitte hin deutlich heller wurde. Einen
false nucleus konnte ich leider nicht erkennen, ebenso wenig wie einen Schweif. Jedenfalls ein sehr schöner Anblick. Wo ich
schon mal bei Kometen war, peilte ich ins Sternbild Cassiopeia, wo Komet Chen-Gao zu finden ist. Dieser hat seit
meiner letzten Beobachtung deutlich an Helligkeit zugelegt und ist laut neuesten Schätzung um die 11mag hell. Schon ohne
Filter war eine kleine diffuse, gleichmäßig helle Wolke zu sehen; mit UHC-S erschien er indirekt sehr deutlich. Eigentlich
hört man immer, dass ein solcher UHC-S zu nichts zu gebrauchen sei, aber gerade bei Kometen spielt er seine Leistung voll
aus und bisher hat er an jedem Kometen was gebracht. Auch das kann mir egal sein...
Nachdem ich die ersten drei wichtigen Objekte des Abends abgehakt hatte, dobste ich entspannt zu meinen ganzen
Lieblingsobjekten. Der Pferdekopfnebel war mit UHC als pechschwarzes, dunkles Loch in einem zarten Vorhang aus
leuchtenden Gasmassen zu sehen, der Flammennebel zeigte drei dunkle Äste. Im Orionnebel genoss ich die anmutig grüne
Farbe des Nebels, dazu immens viele Strukturen und die sechs Trapezsterne. Anschließend trennte ich Rigel und sah mir den
Vierfachstern sigma Ori an. In den Zwillingen erfreute ich mich an einem wunderbaren Messier 35 und düste zum
Quallennebel, der sich auch heute mit einem UHC sehr deutlich als länglicher Nebelstreif durch das Gesichtsfeld zog.
Hat so ein bisschen was von Cirrusnebel mit 4-5 Zoll Öffnung. Der Eskimonebel strahlte mich mit seinem Grinsegesicht
an und der Medusanebel schwebte halbmondförmig vor einem samtschwarzen Himmel. So verging eine Stunde mit vielen
weiteren Objekten, die ich jetzt aber nicht alle beschreiben möchte.
Irgendwann ist auch die schönste Reise zuende und ich machte mich auf, um wieder ein wenig in den Tiefen des Universums
zu kruschteln. M42 angucken kann schließlich jeder. Das erste Objekt sollte auch gleichzeitig das am weitesten entfernte
sein. Es handelt sich um Abell 568, ein Galaxienhaufen im Sternbild Zwillinge, welcher 1.02 Milliarden Lichtjahre
weit weg ist. Nach kurzer Suche war die Position festgenagelt und schon konnte ich mit 250x auf die Jagd nach den schwachen
Blobs gehen. Ich war überrascht, wie einfach es war, die beiden Galaxien auszumachen. Gut, mit Blauhelligkeiten von 15.4 bzw.
15.7mag sind PGC 20199 bzw. 20200 ja auch recht hell. Immerhin ein tolles Gefühl, mal wieder soweit in die Vergangenheit
geschaut zu haben. Daneben findet man NGC 2333, die mit 14.2mag im Vergleich zu den beiden kleinen Galaxien wie eine helle,
fette Made erscheint.
Nun machte ich mich auf ins Sternbild kleiner Hund. Auch hier wartete ein Galaxienhaufen auf mich - Abell 592.
Dieser ist nicht so weit entfernt, sondern "nur" 840 Millionen Lichtjahre. Obwohl, ist auch ne große Zahl. Hier konnte ich
immerhin vier Galaxien sichten, die da wären:
Bei der letzten Gx scheint die Kataloghelligkeit wohl nicht zu stimmen, ich hätte sie im Vergleich mit den anderen
Galaxien auf 16.3mag geschätzt. Aber egal, das war jedenfalls ein sehr interessanter Abstecher.
Heute wollte ich auch endlich mit meinen neuen Projekt beginnen: weit entfernte Sternhaufen. Den Anfang machte
King 8 im Sternbild Fuhrmann. Dieser offene Sternhaufen ist 20.900 Lichtjahre von uns entfernt. Schon bei 120x war
an der gesuchten Stelle ein leichter Nebel zu erkennen, bei 250x wurde die Sache dann klar. Der Sternhaufen erschien als
rundlicher, leicht körniger Lichtfleck, aus dem immer mal wieder ein paar Sternchen herausblitzten. Feiner Sternstaub...
Genau nach meinem Geschmack.
Danach waren ein paar Berkeley-Sternhaufen an der Reihe. Ich kann mich an eine Nacht vor drei Jahren erinnern, die mit
zu den schönsten gehört, die ich je hatte. Es war kurz vor Weihnachten und über uns lag dichter Hochnebel. Nachmittags waren
wir von den Sternfreunden auf einem Weihnachtsmarkt in Sinzheim-Winden vertreten. Als es dunkel wurde, gingen die Lichter am
Weihnachtsbaum an und ein Chor begann zu singen. So richtig weihnachtlich eben. Als sie fertig waren, setzte ich mich ins
Auto und fuhr auf die Hornisgrinde. Es lag Schnee und der Himmel über mir war mit einem Sternenmeer übersäht. Ich baute mein
8" Reisedobson auf und jagte jedes Objekt im Fuhrmann, das in der Uranometria verzeichnet. Darunter waren auch viele
Berkeley- Sternhaufen, die mit dieser Öffnung trotz des mehr als genialen Himmels hart an der Grenze des machbaren waren.
So, genug der Erinnerungen. Den Einstieg machte ich im Sternbild Orion: hier sollte es Berkeley 20 werden, 27.400
Lichtjahre entfernt. Mit 8" oft versucht und jedes Mal kläglich gescheitert. Heute mit 13 Zoll: Ui, wie einfach. Schon bei
120x als leichte Aufhellung des Himmelshintergrunds zu sehen, bei 250x blitzten die ersten, winzigen Sternchen aus dem
körnigen Nebel heraus. Danach wechselte ich ins Sternbild Zwillinge: hier jagte ich zuerst Berkeley 23 in 22.500
Lichtjahren Entfernung. Bei 120x als schwacher Nebel sichtbar, dessen Erscheinungsbild sich auch bei 250x nicht wesentlich
änderte. In Momenten guten Seeings blitzten 5 Sternchen hervor, das war's dann auch.
Jetzt stand ein ganz besonderes Objekt auf dem Plan: Berkeley 29. Laut meiner Liste sollte dieser offene Sternhaufen
49.000 Lichtjahre von uns entfernt sein. Das konnte ich kaum glauben, stehen uns doch schon einige Kugelsternhaufen näher.
Eine kurze Internetrecherche ergab, dass die Werte korrekt waren. Laut einer Studie befindet sich Berkeley 29 gar nicht mehr
in unserer Milchstrasse, sondern 73.000 Lichtjahre vom Zentrum entfernt im galaktischen Halo. Extrem spannend das ganze. Als
ich mir die Stelle mit 120x anschaute, erkannte ich erst einmal nix. Dann steigerte ich die Vergrößerung auf 190x. Und da war
er: ein zarter Hauch von Licht um einen schwachen Stern. Ich zog mir mein Tuch über den Kopf und verbrachte viele Minuten
damit, mir diesen sehr interessanten Sternhaufen anzuschauen. Je länger ich schaute, umso deutlicher und größer wurde der
Nebelfleck, sogar einzelne, extrem schwache Sternchen blitzten hervor. Wow, was für ein Objekt!!! Bin immer noch ganz hin
und weg!
Nun blieb noch eine dreiviertel Stunde bis Mondaufgang. Nach so vielen neuen Objekten widmete ich mich wieder meinen
Lieblingsobjekten, dieses Mal am Frühjahrshimmel. Der Eulennebel schaute mich mit seinen dunklen Augen an und Messier
67 funkelte mit der Kraft von 120 Sternen. X Cnc beeindruckte mit seiner tiefroten Farbe und aus den Nebelmassen von
NGC 1931 stachen zwei Sterne wie Augen hervor. In Messier 37 versank ich in einem Meer aus fast 200 Sternen und
Basel 4 glitzerte wie feiner Sternstaub.
Dann irgendwann war es soweit: am Horizont tauchte ein schmaler Lichtstreif auf: der Mond. Ich schwenkte mein Dobson und schaut zu, wie er sich über einem mit Tannen bewaldeten Hügel erhob, orangerot leuchtend und in den Luftmassen wabernd. Darunter eine Ortschaft mit Häusern und Strassenlaternen. Kaum noch ein Licht war zu sehen, die Welt schlief. Ein Kauz fing an mit seinem schuhuhuuuu... Das sind die Momente der Einsamkeit, die einen alles vergessen lassen...