08.05.2008 Mit Nemesis an den Rand vom Universum




Heute passte endlich alles: ich hatte Zeit, der Himmel war klar und Zirren waren ebenfalls nicht zu sehen. Eigentlich hatte ich gar nicht vor, beobachten zu gehen. Aber als ich nach einem zwar langen, aber tollen Tag mit dem Zug von Wiesloch heimgefahren bin und mich der blaue Himmel anstrahlte, konnte ich nicht anders. Also kurz die Wettervorhersage angeschaut, einen Kombi gemietet, Teleskop eingeladen und auf den Hohloh gedüst.

Um 22 Uhr war ich oben und hab aufgebaut. Die Bedingungen waren echt klasse: mit 8°C zwar ein bisschen kühl und der frische Wind tat sein übriges, aber immerhin war der Himmel sehr klar (fst 6.4). Bis der Mond unterging, versuchte ich mich an hellen Objekten und war schon ganz hin und weg, was 46cm Öffnung zeigen können. Dann war der Mond weg und die Tür zum Universum sperrangelweit offen.

Das Highlight der heutigen Nacht war der Quasar B1422+231 in Bootes mit z=3.62. Damit ist das Objekt 11.8 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt, also am äußersten Rand des sichtbaren Universums. Die Helligkeit liegt bei 16.2mag, man braucht also schon wirklich große Teleskope um ihn zu sehen, unter 30cm Öffnung wird da nix gehen. Die Besonderheit liegt auch darin, dass der Quasar vierfach gelinst ist - er wird durch eine Vordergrundgalaxie in 4 Teilbilder aufgespalten. Die Position war schnell gefunden. Bei einer Vergrößerung von 310x war der Quasar dann überraschend einfach zu sehen. Indirekt eigentlich immer zu halten und das bei einer Helligkeit von weniger als 16mag. Es geht doch nix über eine große Öffnung! Da freu ich mich schon auf die ganzen Uranus- und Neptunmonde, die ich bald sehen werde.

Anschließend hab ich mir der Vollständigkeit halber noch kurz den Doppelquasar in UMa rein gezogen und Ton 618 in den Jagdhunden. Dieser war ein bisschen schwerer zu sehen, aber weniger spannend, da "nur" 10.6 Milliarden Lichtjahre weit weg.

In der nördlichen Krone hab ich mich gleich an ein anderes Wunschobjekt von mir gewagt: Abell 2065, ein Galaxienhaufen in 1.05 Milliarden Lichtjahren Entfernung. Schon als ich als Kind ein Bild davon gesehen hatte, wollte ich mir das mal anschauen und heute Nacht mit 18" wurde der Traum war. Die Position ist recht schnell gefunden, drei helle Sterne, der schwächste mit 13mag bilden das Suchgebiet. Schnell das schwarze Tuch über den Kopf, Musik an und los gehts. Insgesamt konnte ich 7 schwache Blobs ausmachen, die größte mit einer Helligkeit von 16mag, die anderen nur 17mag hell. Wirklich wunderschön das alles.

Anschließend bewegte ich mich in Coma Berenices hinein. Zuerst musste ich Messier 100 anschauen. Eine wunderschöne Galaxie, um deren hellen Kern sich zwei grazile Spiralarme wanden. Weiter südlich die kleine Begleitgalaxie. Weiter ging es zu NGC 4216, wo man gleich drei Edge-On Galaxien nebeneinander findet. Schwebende Lichtnadeln im Weltraum. Ein kurzer Schwenk brachte mich zu Messier 84/86 und zu Makarians Chain. Mann, soooooo viele Galaxien. Dauernd stolpert man über welche hinweg und ständig hat man zwei oder drei von den Dingern im Okular, wenn man es richtig macht, auch 11! Habs gezählt: 11 Galaxien gleichzeitig. Wo ich schon in der Ecke war, noch ein kurzer Schwenk auf Messier 87: wow, ein richtig dickes und helles Teil! Weiter oben ging es zu NGC 4565, die wohl schönste Lichtnadel des ganzen Himmels. Bei 140x zog sich die Galaxie quer durch das Gesichtsfeld. In der Mitte thronte ein pechschwarzes Staubband, wie ausgestanzt. Das die Galaxie so klar rüberkommt, hätte ich nicht erwartet und für einen Moment blieb mir die Luft weg. Wenn man sowas sieht, weiß man gar nicht wohin mit seinem Glück. Anschließend gings zu Messier 64, der Galaxie mit dem teuflischen Auge. Auch hier zeigte sich die Galaxie wie auf einem Schwarzweißfoto, das dunkle Staubband gebogen um den hellen Zentralbereich.

Es ist einfach genial: bei den hellen Galaxien muss man sich nicht die Augen verbiegen, man guckt einfach hin und sieht mal eben Spiralärme und Staubbänder. So muss das sein!

Nun war es Zeit für zwei kugelige Sternhaufen. Den Anfang machte Messier 53, 50.000 Lichtjahre von uns entfernt - eine wunderschöne Glitzerkugel bis in den Kern hinein aufgelöst. Ein Stückchen weiter weg NGC 5053, ein geisterhafter Kugelsternhaufen mit nur 3400 Sternen. 50 oder so glitzerten wie feiner Sternstaub vor einem körnigen Hintergrund.

In den Jagdhunden war mein erstes Ziel Messier 51, die Whirlpool Galaxie. Die haut einen aus den Socken. Hoch im Zenith strudelte es im Okular, dass man gar nicht wusste, wie einem geschieht. Die Spiralarme wie ausgestanzt, Knoten, Verdickungen, die Materiebrücke, feine Ausläufer nach außen und schwache Sternchen glitzerten vor diesem kosmischen Feurrad. Nicht weniger schön Messier 106 mit zwei Spiralarmen, die sehr antisymmetrisch vom Kern wegzeigten. NGC 4244 eine phänomenale Lichtnadel mit zwei Verdickungen beiderseits des Kerns. Weiter oben NGC 4459, eine rechteckige Galaxie mit unzähligen Knoten im Inneren.

Auch die Supernova in NGC 4490 hab ich mir noch angeschaut. Mit mittlerweile 15.1mag nicht mehr sonderlich hell, aber bei 140x mit indirektem Sehen beständig zu halten. Das dürfte jetzt meine 8. Supernova sein, die ich mit eigenen Augen gesehen habe.

Dann ein Schwenk in den großen Wagen: Messier 101. Eigentlich zu schön, um es mit Worten beschreiben zu können. Ein gewaltiges Feuerrad, vier Spiralarme winden sich um den Kern, überall Knoten.

Der Eulennebel Messier 97 stand wie ausgestanzt mit seinen Augen im Okular und starrte mich an, während Messier 108 von lauter dunklen Flecken durchzogen war. In Messier 109 konnte ich neben dem Balken auch zwei schwache Spiralärmchen erkennen. Ganz besonders faszinierend Messier 82, die Zigarre. Knallhell und überall Staubfahnen. Daneben Messier 81, riesig groß mit zwei feinen Spiralarmen und einem schwachen Staubband. Wunderschön.

Nun schnell zu Messier 3: eine helle Glitzerkugel, aufgelöst bis in den Kern. Wie da wohl Messier 13 kommt? Im 7mm Nagler von Wolf eine riesige Sternkugel, die bei 260x fast das Gesichtsfeld sprengt. Tausende von Sternchen glitzern wild vor sich hin, im Hintergrund unaufgelöster Sternstaub. Genauso schön Messier 92 und ebenso genial Messier 5. Lange Sternstrassen zeigen nach außen, im Kern drängeln sich Unmassen von Glitzerpunkten. Muss man gesehen haben, um das nachvollziehen können. Ich fands klasse!

Dann rückte auch schon so langsam die Dämmerung näher. Aber ich wollte noch einen Blick auf den Ringnebel Messier 57 werfen. Bei 310x ein großer, heller Ring, die Ränder ausgefranst und das Zentrum irgendwie streifenförmig aufgehellt. Aber das war nicht das, was ich sehen wollte. Und als ich so mit meinem Tuch dastand, blinkte er immer mal wieder für ein paar Sekunden hervor. Ganz schwach und zart, aber deutlich - der Zentralstern!

Damit war die Nacht für mich zu Ende: zum ersten mal konnte "Nemesis" zeigen, was es drauf hat. 18 Zoll sind sehr viel Öffnung und lassen Galaxien so richtig aufleben. Es sind nun keine blassen Fleckchen mehr sondern wunderschöne Objekte mit Strukturen. In Kugelsternhaufen kann man ertrinken oder eine Reise an den Rand unseres Universums machen.

Nemesis hat eine Tür zu einem ganz neuen Universum aufgestoßen.