30.06.2008 Eine laue Sommernacht




Heute Nacht war es endlich soweit: klarer Himmel soweit das Auge reicht. Also schnell den 18 Zoll Lowrider ins Auto geladen und losgedüst. Oben war es windstill und mit 18° sehr warm. War die ganze Nacht im kurzärmligen Hemd unterwegs. Die fst lag bei 6.3mag, die Milchstrasse war sehr strukturiert zu sehen, fast bis hinunter an den Horizont.

Den Einstieg machte ich in der Leier. Zuerst wurde auf Messier 57, den Ringnebel gepeilt. Wow, das ist so was von knallhell, einfach der Wahnsinn. Im 9mm Nagler bei 205x blitzte auch des Öfteren der Zentralstern durch, wenn auch nur ganz schwach. Ich find, mit Zentralstern sieht M57 gleich noch mal so schön aus. Daneben die schwache IC 1296, mit indirektem Sehen gut erkennbar. Dann ging es zu Messier 56, einem kleinen Kugelsternhaufen. Schon bei 60x leichtes Gesprenkel, bei 200x dann super schön aufgelöst mit schwachen Randbereichen. Weiter oben vergnügte ich mich mit NGC 6791, ein sehr schwacher Sternhaufen, aber extrem reich an Sternen. Schon bei 60x fällt einem eine diffus körnige Wolke auf, die sich im 9er Nagler in einen dichten Schwarm von über 100 Sternen verwandelt. Als hätte jemand eine Handvoll Sternenstaub genommen und dahin gestreut.

Im Schwan hab ich mir zuerst mal den Zirrusnebel gegeben, denn den hatte ich mit 18 Zoll noch gar nicht gesehen. Was soll ich sagen: man muss es gesehen haben, sonst glaubt man es nicht. Die Röhre bei 52 Cyg wie eine Wirbelschleppe, überall feinste Fetzen, Verwirbelungen und dunklere Stellen. Bei 200x ragte die Spitze wie ein Dolch in den pechschwarzen Himmel.

Genuss pur!!! Die Schokokekse schmeckten bei dem Anblick gleich noch mal so gut!!

Die andere Seite des Zirrus genauso ein Kracher: die Knochenhand wie ausgestanzt, bei 200x zieht sich der Nebel über mehrere Gesichtsfelder, in jedem Teilabschnitt findet man neue Details und Strukturen. Dann ein Schwenk zum Crescentnebel NGC 6888: bei 200x füllt er fast das ganze Gesichtsfeld aus und zerfällt dabei in viele Einzelfilamente. Wirklich wunderschön. Ein Stückchen weiter liegt IC1311, wieder ein Sternstaubhaufen. Bei 200x ein dichter Schwarm von ungefähr 100 schwachen Glitzersternchen, dahinter ein körniges Leuchten. Für mich ab sofort einer der schönsten Sternhaufen am nördlichen Himmel.

Im Herkules hab ich mir zum ersten Mal richtig Messier 13 angeschaut. Bisher hatte ich noch kein gutes Okular, das den Bereich um 200x gut abdeckt. Aber jetzt mit dem 9er Nagler macht es richtig viel Fun.

Jetzt aber zurück zu Messier 13. Das Seeing war sehr gut, die Transparenz ebenso. Bei 200x stockt einem der Atem. Eine fast dreidimensionale Kugel aus hunderten von Sternen schwebt vor einem. Im Zentrum ganz viele helle glitzernde Sternchen, punktfein aufgelöst, manche gelblich, ganz wenige leicht bläulich. Dahinter Myriaden von schwachen und schwächsten Sternen. Weit auslaufende Arme ziehen sich nach außen. Daneben die kleine Galaxie NGC 6207. Klein? Nö, richtig schön mit schwachen Strukturen und einem hellen Kern. Dann gibt es dort noch das kleine IC Galaxiechen, etwa 15mag in Kantenlage. Ziemlich genau auf halbem Weg zwischen NGC 6207 und M13. Mit indirektem Sehen bei 200x gut erkennbar. Sozusagen das Salz in der Suppe.

Nun ein Schwenk zu Messier 92: wieder wow. Bis ins Zentrum aufgelöst, auch hier richtig helle Sternchen im sehr dichten Sterngewimmel im Kern. Das ist echt cool: mit 18" stechen die hellsten Sterne in den Kugelsternhaufen so richtig ins Auge. Nun wollte ich wissen, wie denn NGC 6229, der dritte KH im Herkules. Bei 200x in den Randbereichen schön aufgelöst, im Kern allerdings nur körnig. Trotzdem , dass ich nun sogar schon NGC Haufen auflösen kann.

Gleich weiter zu Messier 5: eigentlich brauch ich dazu nix mehr zu sagen. Lest euch nochmal den Abschnitt zu M13 durch. Nur ein einziger Unterschied, der Kugelsternhaufen ist nicht so dicht. Manchmal hatte ich das Gefühl, durchschauen zu können, aber dann tauchten in den Lücken wieder Myriaden von schwachen Sternen auf. Die Arme noch ausladender und fast das gesamte Gesichtsfeld füllend.

Zu den anderen Kugelsternhaufen sag ich nachher was, möcht mich ja jetzt nicht wiederholen. Kommen wir lieber zu zwei Galaxien. NGC 5907 im Drachen: Bei 140x eine sehr lange Spindel mit einem schwachen Staubband am Rand. Besonders gespannt war ich auf Messier 102: Oh Junge! Bei 140x noch nix auffälliges, wenn man mal von der großen Helligkeit der Gx absieht. Doch dann bei 200x: immer mal wieder blobt das extrem dünne Staubband pechschwarz in der Mitte auf. Nach einiger Zeit kann ich es indirekt die ganze Zeit über halten. Was mir mit 13 Zoll nie gelungen ist: nun wurde es Wirklichkeit. Jedenfalls ein richtig es Ding!!

Abell 2065 schenk ich mir jetzt. Dürfte wohl eh niemand groß interessieren, wie Galaxien in 1 Milliarde Lichtjahren aussehen. Schwach halt!

Dafür mal ne Beschreibung vom Hantelnebel. Mit 8 Zoll ging mir dieser fette Klops mehr auf den Zeiger als dass ich ihn schön fand. Mit 13" konnt ich mich schon eher damit anfreunden aber jetzt mit 18 Zoll ist das Teil einfach nur genial. Ohne Filter sieht man 15 Sterne im Nebel. Ich hab das mal gezählt. Darunter natürlich auch der sehr helle Zentralstern. Mit UHC wird man von der Wucht der Details erschlagen. Nicht nur die Ohren sind zu sehen, sondern auch sowas wie ein überlappender Halo. Ganz komisch. Aber richtig klasse. Innen überall helle Flecken und dunklere Gebiete. Genauso toll Messier 71: Sieht im 9er Nagler eher wie ein offener Sternhaufen aus, wenn auch sehr dicht. Manchmal hat man den Eindruck, man könnte durchschauen.

Im Delphin musste ich zu NGC 7006, ein Kugelsternhaufen in 180.000 Lichtjahren Entfernung. Bisher kannte ich das Dings nur als Blob, auch mit 13 Zoll war an eine Auflösung nicht zu denken. Aber gestern: Bei 200x erschien der Randbereich körnig mit um die 10-15 sehr schwachen Sternchen darin. Dat hat misch escht berührt! Als nächstes wollte ich zu NGC 6934 , ein Kugelsternhaufen, der ebenfalls im Delphin sein Dasein fristet. Auf dem Weg bin ich noch an einer kleinen Galaxie vorbei gekommen: NGC 6951. Sie erschien recht hell und leicht länglich mit einem mehr oder weniger stellaren Kern. Dann war ich am Ziel angekommen: Bei 200x bis fast ins Zentrum aufgelöst. Um mir ein wenig Abwechslung zu gönnen, bin ich noch kurz zu French 20 gedobst: Hä? Was? Ja, dat is een Sternhaufen, der wie ein Fliegenpilz aussieht. Kommt bei 50x echt richtig gut. Daneben noch ein kleines Galaxien, das mich immer an eine Ameise erinnert, die den Pilz hochrennt.

So, zweiter Teil: tauchen wir nun ab in den Schlangenträger. Zuerst standen die drei großen Kugelsternhaufen auf dem Plan.

Den Anfang machte Messier 12, der wie Messier 10 bis in den Kern aufgelöst war. M10 fand ich dann aber doch schöner, weil er nicht so ganz konzentriert war. Beide wunderschön anzuschauen. Als nächstes wollte ich mir Messier 14 anschauen, der ja nicht wirklich zu den großen Krachern gehört. Auch mit 8 Zoll Öffnung sieht man nicht mehr als einen helleren, diffusen Fleck. Mit 13" sieht man ein paar wenige Einzelsterne aus einem körnigen Hintergrund heraus blitzen. Doch mit 46cm Öffnung wandelt sich das Bild. Krass, was 0.7mag mehr ausmachen. Es bot sich mir eine funkelnde Glitzerkugel aus ganz schwachen Sternchen, wie feine Diamanten. Die ganze Fläche war über und über mit feinem Sternstaub übersäht. Ein wunderschöner Anblick und so ganz anders als alle Kugelsternhaufen, die ich in dieser Nacht angeschaut habe. Das nächste Objekt war NGC 6366, unweit von M14. Hier konnte ich bei 50x schon eine diffus, körnige Wolke ausmachen, bei 200x löste sich das in eine große Fläche aus glitzerndern Sternen auf. Das Zentrum war nur ganz schwach ausgeprägt, hat glaub ich auch die geringste Konzentrationsklasse X.

Nun konnte ich meine Ungeduld nicht mehr zügeln. Es ging hinunter in den Schützen. Zuerst schaute ich mir Messier 22 an, ein wunderschöner Kugelsternhaufen, ähnlich schön oder sogar fast noch schöner als M13. Leider war das Seeing heute nicht so gut wie noch vor ein paar Tagen, so dass der Anblick zwar genial war, aber nicht den großen Wow-Effekt brachte. Egal! Dann halt Messier 8, der Lagunennebel. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, auf jeden Fall aber nicht das, was ich gesehen habe. Ich dachte, ok, das wird vielleicht ein bisschen heller als mit 13" sein, aber mehr auch nicht. Doch da hatte ich mich getäuscht. Der Nebel im Zentrum zerfiel in feinste Fasern, durchzogen von feinen Staubfahnen. Das Gas wirbelte ums Zentrum; der eingebette Sternhaufen funkelte strahlend vor sich hin. Auch außerhalb waren leuchtende Gasmassen zu erkennen, die immer mehr an Details offenbarten. Mit diesen Eindrücken machte ich mich zum Trifidnebel auf. Hier wurden meine Erwartungen ebenfalls übertroffen, dabei war die Transparenz so weit unten gar nicht mal so gut. Bei 140x zogen sich drei dunkelschwarze Staubschläuche durch den Nebel, ein vierter war ebenfalls zu sehen, wenn auch nicht ganz so auffällig. Die Schläuche hatten eine sehr unregelmäßige Form, was das ganze noch interessanter machte. Nun ging es wieder weiter nach oben, zum Omeganebel - auch auch Schwanennebel genannt. Das Gesehene veranlasste mich spontan zu einem Freudenausruf. Es ist der Wahnsinn: das gesamte Gesichtsfeld mit Nebelmassen angefüllt, im Zentrum der knallhelle Körper des Schwans, durchzogen von Dunkelwolken und Flecken, dass man gar nicht weiß, wo man zuerst hinschauen soll. Alles ist zerfasert.

Weil ich schon mal in der Ecke war, musste der "dicke Jupp" dran glauben. Ok, die Dunkeladaption is simply lost, aber egal. Bei 140x krasse Kontraste, die zwei Hauptbänder wie ausgestanzt. Überall feine Fleckchen. Und auf der rechten Seite: ein pechschwarzer, runder Fleck! Ein Mondschatten auf der Oberfläche. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Schade, dass das Seeing nicht so gut war. Ich freu mich schon drauf, wenn Jupiter in zwei Jahren mal wieder deutlich höher steht. Dann wird das ein Feuerwerk werden.

Da es langsam dämmerte, schaute ich mir noch zwei kugelige Haufen an: zum einen Messier 15 im Pegasus: ach, was ein wunderbarer Anblick im 9er Nagler. Bis in den Kern aufgelöst, helle Sternchen wohin man auch schaute. Nix mit indirektem Sehen, nein, entspanntes Genießen. Dazu Musik und einen Schokokeks. Was will man mehr? Messier 2 ebenfalls ein Prachtexemplar: eine Glitzerkugel par excellance! Der Herbst kann kommen: endlich genug Öffnung, um auch im Herbst kugelhaufenmäßig voll abgehen zu können.

Ja und dann kam sie: die Dämmerung. Aber das machte nix. Ich hatte meine Nacht, an die ich noch lange zurückdenken werde.

Iwie musste ich heute Nacht an früher denken: Als 11jähriger träumte ich von 20cm Öffnung, auf das sparte ich hin. Gereicht hat es nie. Ich stellte mir vor, was man damit alles sehen konnte. Ich wollte NGC 7789 anschauen, ich wollte die 100 Sterne im dichtgedrängten Haufen sehen. Ich habe den Zirrusnebel gesucht, aber nie gefunden. Dazu waren 11cm Öffnung zu wenig. Und so saß ich im Sommer auf dem Balken und machte Marszeichnungen. Immer wieder las ich im Prospekt mit den Dobsons: Ein 20cm wäre damals das Größte für mich gewesen. Schon 35cm waren jenseits meiner Vorstellungskraft und wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass ich mal bei 46cm lande, ich hätte ihn für verrückt erklärt.

Und so schaute ich mir heute Nacht NGC 7789 an, hörte ein Lied von Rednex, das ich damals so oft gehört habe und sah mich in Gedanken als kleiner Junge auf dem Balkon sitzen, Marszeichnungen machen und von 20cm Öffnung träumen...