04.07.2008 Kugelsternhaufenjagd im Schlangenträger




Es sollte also doch noch sein: klarer Himmel, obwohl die Vorhersage eigentlich nicht danach aussah. Ich hatte zwar vor, auch bei dichter Zirrenbewölkung raus zu gehen, aber umso mehr freute ich mich, als sich die Zirren komplett auflösten.

In 10 Minuten war der 18 Zoll Lowrider ins Auto gepackt und schon konnte es losgehen. Oben am Standardplatz das Auto eines Jägers, also bin ich weiter zu einem anderen Platz gefahren. Hab ja mehrere, so dass das kein Problem war. Dort angekommen, war das Teleskop innerhalb von 10 Minuten aufgebaut und justiert. Nun hieß es auf die Dunkelheit warten. In der Nähe hörte ich ein Trampeln. Dafür gibt es eine einfache Gleichung: Jäger am Waldrand + Trampeln = Wildschweine. Kurze Zeit später sah ich vier massige Körper 20 Meter entfernt an mir vorüberziehen. Also ging ich zum Auto und drehte die Musik auf. Das hat bisher immer geholfen und so sollte es auch diese Nacht sein: die Schweinchen blieben auf Distanz und ich konnte ganz entspannt Sterne gucken, auch wenn ich des Öfteren ein nahes Gegrunze hörte.

Der Himmel war oben recht gut (6m1), allerdings war es deutlich kälter als noch vor ein paar Tagen: mehr als 13°C waren nicht drin.

Nachdem ich in der Dämmerung schon mal ein paar Objekte eingestellt hatte, ging es um 23.40 Uhr richtig los. Heute wollte ich Kugelsternhaufen jagen. Begonnen hab ich im Skorpion mit Messier 4: bei 200x war eine sehr große und lockere Sternkugel zu sehen. Mitten durch das Zentrum verläuft eine schmale Sternstrasse aus bestimmt 30-40 Sternen. Die Randbereiche sind dermaßen locker, dass der KH eher an einen offenen Sternhaufen erinnert. Gut, mit 6800 Lichtjahren ist er uns auch recht nah. Zwischen M4 und Antares befindet sich NGC 6144, ein weiterer KH. Diesen konnte ich bei 200x im 9er Nagler in den Randbereichen auflösen, das Zentrum erschien leicht körnig. Weiter oben im Skorpion findet man Messier 80, ein wunderschöner Kugelsternhaufen. Bei 200x erschien er als helle Kugel, die bis ins Zentrum aufgelöst war, die Randbereiche deutlich besser als der sehr dichte Kern, wo nur ein paar schwache Sternchen herausblitzten. Insbesondere die Helligkeitszunahme zur Mitte hin ist beeindruckend.

Nun ging es in den Schlangenträger. Hier graste ich so ziemlich alle Kugelhaufen ab, die in meiner Karte zu finden waren. Den Anfang machten Messier 10 und 12, zwei wunderschöne Glitzerkugeln, die bis in den Kern aufgelöst waren. Ein Stückchen weiter weg Messier 14, eine große Kugel aus sehr feinem Sternstaub. Für mich mittlerweile einer der schönsten KH’s. Nach NGC 6366, einer wenig konzentrierten Flächen aus Diamantenstaub ging es tief in den Süden. Hier begann die eigentliche Jagd: zuerst Messier 19, von zwei Sternen eingerahmt, bis in den Kern aufgelöst, nur schwach konzentriert und eine sehr ovale Form. Nun zu Messier 62: diesen KH konnte ich in den Randbereichen komplett auflösen, im Kern nur teilweise, da der Haufen doch relativ stark konzentriert ist.

Wo ich schon mal in der Ecke war, gönnte ich mir noch einen Blick auf den planetarischen Nebel NGC 6369. Bei 200x mit UHC konnte ich einen wunderschönen Ring erkennen, dessen Rand leicht gemottelt war und an einer Seite eine hellere Stelle zu bewundern war.

Nun aber wieder zu den Kugelsternhaufen: weiter ging es mit Messier 9. Er erinnerte mich so ein bisschen an M4 im Skorpion – relativ locker und in den Randbereichen sowie im Kern gut auflösbar. Hellere Sterne sind quer über den Haufen verstreut. Der letzte der Messier trug die Nummer 107. Eingebettet in ein Dreieck aus helleren Sternen konnte ich die Randbereiche bei 200x relativ einfach auflösen, die Sterne waren allesamt recht schwach, die Konzentration ebenfalls. Weiter zur Mitte blieb ein körnig, diffuser Hintergrund bestehen. Nun zum Abschluss die ganzen NGC Häufchen, alle bei 200x beobachtet:


Im Kopf der Schlange machte ich mich dann noch an Palomar 7, ein Kugelsternhaufen. Hier konnte ich ein körnig, diffuses etwas erkennen, das eine geringe Flächenhelligkeit aufwies.

Im Adler machte ich mich an NGC 6760 und NGC 6749, zwei weitere Kugelsternhaufen. Während ersterer in den Randbereichen schön aufgelöst war, konnte ich bei Zweiterem nur ein diffuses Etwas erkennen. Immerhin war er auf den ersten Blick zu sehen, ist dies doch der schwerste NGC Kugelsternhaufen. Im Schild bin ich zu NGC 6712, ein wunderschöner KH, der nicht nur in den Randbereichen aufgelöst, sondern auch im Zentrum körnig ist und durch seine große Helligkeit beeindruckt.

Mit den ganzen anderen Kugelsternhaufen bin ich in dieser Nacht auf knapp 40 Objekte gekommen. Wenn das mal nix ist.

Doch nun genug von den Dingern: nun wieder zu ein paar anderen Objektklassen! Oben im Schwan hab ich mir zuerst noch mal den Zirrusnebel gegeben. Dieses Mal hatte ich auch endlich mein schwarzes Tuch dabei, so dass ich mich ganz der Schönheit dieses Supernovaüberrests hingeben konnte. Es ist einfach fantastisch, wie sich die Röhre in den schwarzen Himmel bohrt, von den Strukturen in der Knochenhand gar nicht erst zu reden. Dann bin ich zu einem der schönsten planetarischen Nebel am Himmel gedobst: es handelte sich um NGC 7008. Schon bei 60x ohne Filter sehr hell, offenbarten sich bei 200x wunderbare Strukturen. Der Ring an einer Seite offen, die beiden längeren Enden mit hellen Knoten versehen. In der Mitte der Zentralstern, das Innere mit leichten Nebelmassen angefüllt, umgeben von hellen Sternen, darunter ein schöner Doppelstern. In dieser Ecke besuchte ich auch gleich M39, der im 38mm Okular mehr als genug Platz hatte. Die Sterne strahlend hell. Das war aber nur Ausgangspunkt zu einem weiteren besonderen Objekt in der Sommermilchstrasse: der Cocoon- Nebel IC 5146 . Am besten kam er im Übersichtsokular hervor, da war er in etwa so zu sehen, wie auf nicht ganz so lange belichteten Schwarzweiß- Fotos. Im Zentrum ein sehr schwacher Sternhaufen, darum glühende Nebelmassen mit leicht dunkleren Stellen. Daneben zieht sich eine Dunkelwolke wie ein schwarzer Schlauch durch das dichte Sternfeld. Als nächstes dobste ich zu NGC 6894, ein wie ich finde, sehr interessanter PN inmitten vom Schwan. Bei 200x mit UHC war ein heller und großer, leicht elongierter Ring zu sehen, das innere mattschwarz. Der Ring an sich mit zwei oder drei helleren Stellen, die aber schwer zu fassen waren. Der „Ringnebel des Schwans“, den ich bestimmt noch öfter besuchen werde. Nachdem ich kurz beim Glitzersternhaufen IC 1311 vorbeigeschaut hatte, begab ich mich zu NGC 6819, einem offenen Sternhaufen. Dieser ist relativ dicht gepackt mit hellen Sternen, so um die 70 oder 80 würd ich mal schätzen. Umrandet wird dieser OH von zwei hellen Sternen, die einen wunderbaren Kontrast bieten. Auch den Crecent-Nebel NGC 6888 hab ich mir bei 140x und UHC noch mal in aller Ruhe angeschaut. Mit der Zeit erkennt man immens viele Details im Nebel, der fast das ganze Gesichtsfeld des 13er LVW füllt. Überall Nebelfetzen, abgerissene Fahnen usw. Ein halbes Grad weiter findet man einen knallroten Carbonstern, der ebenfalls ganz interessant ist.

Damit hatte der Schwan seine Schuldigkeit vorerst mal getan und ich begab mich zu einer Rundreise über den ganzen Himmel, um ein paar schöne Objekte einzusammeln. Im Schlangenträger schaute ich mir noch mal den „Smaragd“ NGC 6572 an, der bei 200x einen echt fantastischen Anblick bietet. Man erkennt eine sehr kleine, aber knallgrüne Scheibe, in dessen Mitte ich manchmal so was wie ein Sternchen aufblitzen sah. Da bin ich mir aber nicht so 100%ig sicher. Aber egal, auch so ein fantastisches Objekt. Im Adler bin ich zu NGC 6781, der weiße Schneeball. Bei 200x mit UHC ein wunderschöner PN mit leicht dunklerem Inneren und zudem auch noch ziemlich groß. Klasse! Der Wildentenhaufen Messier 11 kam bei 140x auch ziemlich gut rüber. In der Mitte der helle Stern, der die anderen um mehrere Größenklassen überstrahlte. Es waren weit über 100 Sterne zu sehen, die sich dicht um den hellen Leitstern drängten. Nachdem ich mir den Hantelnebel rein gezogen hatte, suchte ich NGC 6905, ein PN im Delphin. Bei 200x ein klasse Anblick: eine helle Scheibe mit hellem Zentralstern, darin drei oder vier dunkle Flecken. Eigentlich heißt das Dings ja „Blue Flash“, aber visuell war von der Farbe nur andeutungsweise was zu sehen: es war mehr ein leichtes Türkis mit ziemlich viel Grau vermischt. Trotzdem klasse Strukturen.

Davon inspiriert suchte ich den NGC 6543, den Katzenaugennebel auf. Bei 200x eine knallgrüne Scheibe, also so was von knallgrün, dass ich es kaum fassen konnte. In der Mitte der sehr helle Zentralstern weißlich leuchtend, ebenfalls weißlich zwei innere Schalen. Außerhalb konnte ich einen schwachen Nebelfleck wahrnehmen, ein "abgesprengter" Teil des Halos. Dieses Halofragment war auch schon bei 200x ohne UHC zu sehen, mit UHC dann eigentlich nicht mehr übersehbar.

Im Osten sah ich so langsam den Pegasus hochsteigen. Also gleich mal auf den Kugelsternhaufen Messier 15 gepeilt: wie schon letzte Nacht bis ins Zentrum aufgelöst, wo die Sterne extrem dicht stehen. Noch viel schöner als letzte Nacht sah Messier 2 aus. Eine Glitzerkugel mit über 100 schwachen Sternchen, die über die komplette Fläche verteilt waren. Das Zentrum nur mäßig konzentriert, die Randbereiche nicht sonderlich groß aber komplett aufgelöst. Nun interessierte mich, wie denn wohl Messier 72 kommen würde. Mit 13“ nur andeutungsweise aufgelöst, entpuppt sich der Kugelhaufen mit 18“ als sehr schönes Objekt mit aufgelösten Randbereichen aus vielen, sehr schwachen Sternchen, schätzungsweise um die 15mag hell. Knapp daneben M73, eine Vierergruppe aus Sternen in y-Form. Nix spektakuläres. Dafür riss mich der Saturnnebel NGC 7009 so richtig vom Hocker: Bei kleinster Vergrößerung fällt einem sofort eine sehr helle, auch wieder knallgrüne Scheibe auf. Die Farbe ist auch hier wieder der Bringer schlechthin. Noch viel besser wird’s dann aber bei 200x: hier treten die Antennen, die dem Nebel seinen Namen gegeben haben, bei indirektem Sehen richtig gut hervor, an den Enden sind schwache Ansätze erkennbar, wovon der westliche heller als der östliche ist. In der Scheibe selbst sind ebenfalls einige Strukturen sichtbar, so z.B. ein schwacher und schmaler innerer Ring. Weiter oben im Pegasus schnappte ich mir NGC 7331, eine sehr helle Spiralgalaxie. Bei 200x nicht zu übersehen, konnte ich das seitliche Staubband deutlich als scharfe, dunkle Abgrenzung der Galaxie erkennen, die vier Begleitgalaxiechen waren ebenfalls alle ohne Probleme zu sehen. Dann ein kleiner Schwenk und schon hatte ich „Stephans Quintett“ im Gesichtsfeld. Steht ja nur knapp ein halbes Grad daneben. Die fünf Hauptgalaxien waren alle ohne Probleme teilweise sogar mit direktem Sehen zu erkennen, nicht nur indirekt. Ein Stückchen weiter weg steht noch eine 16.5mag helle Wald- und Wiesengalaxie, die ich mehrmals mit indirektem Sehen leicht aufblitzen sehen konnte.

Tja, und dann waren die drei Stunden auch schon wieder rum. Schade, dass die Nächte so kurz sind, ansonsten hätt ich noch viel mehr anschauen können. Aber ich denke, für die kurze Zeit ist das Pensum ganz in Ordnung. Nach drei Uhr konnte man so langsam zuschauen, wie es im Nordosten schon wieder recht hell wurde. Um keine Zeit zu vergeuden, hab ich beschlossen, die letzte halbe Stunde noch ein paar Sternhaufen in der Cassiopeia abzugrasen, was auch ziemlich viel Spaß gemacht hat. Aber dieses Sternbild werd ich mir erst in der nächsten Neumond- Periode vornehmen, so dass ich dazu jetzt auch nix mehr schreiben möchte.

Um 03.30 hab ich dann meine sieben Sachen zusammen gepackt, was erstaunlich schnell ging. Innerhalb von sechs Minuten war der 18 Zoll Lowrider komplett mit allem Zubehör im Auto verschwunden. Um vier Uhr lag ich schließlich im Bett und träumte von Kugelsternhauen und planetarischen Nebeln.