Die zweite Nacht in Folge war es nun klar. Schon in der Dämmerung brach ich auf, da ich eine ganz besondere Beobachtung
machen wollte, doch dazu später mehr. Die Temperaturen lagen die ganze Nacht zwischen -6°C und -9°C, doch eigentlich fand ich
das recht warm. Hab in den 10 Stunden nicht einmal gefroren. ;) Anfangs war es noch ein wenig feucht, was dazu führte, dass
alles von Reif überzogen wurde. Beim Beobachten hat mich das weniger gestört, aber beim Abbauen bin ich ständig mit meinen
Händen an Metallteilen festgeklebt. ;)) Jaja, so ist das. Sternegucken im Winter kann echt hart sein. Der Himmel war anfangs
noch ein wenig dunstig, aber im Laufe der Nacht wurde er immer besser, so dass ich die Wintermilchstrasse bis an den Horizont
verfolgen konnte.
Schon in der Dämmerung war ich oben und baute auf. Die schmale Mondsichel leuchtete tief am Horizont, daneben Jupiter und
weiter oben strahlte der Abendstern Venus. Das ganze hab ich mal in einem Bildchen festgehalten.
Als der Spiegel fertig gekühlt hatte, ging es zum ersten Objekt: Venus! *freu* Zuerst im 38mm Okular bei 50x.
Wow, knallhell! Also wirklich extrem knallhell! Da bläst es einem fast die Netzhaut weg. ;)) Man kann sogar die Hand in einem
Meter Abstand hinter das Okular halten und die Venus darauf projizieren! Immer diese Spielereien! ;)) Nun wurde es spannend,
denn ich hatte mir vor ein paar Wochen extra einen Violettfilter gekauft, um die Wolken auf der Venus beobachten zu
können. Mit weniger Öffnung wird das ganze recht dunkel, aber wie grad gesehen, hat man mit einem Halbmeterspiegel Licht im
Überfluss. :)) So war das Bild auch im 9er Nagler bei 210x mit dem Meade Violett Filter Nr. 47 angenehm hell. Ich nahm mir
einen Stuhl und schaute durch das Okular. Zuerst fielen mir zwei hellere Polkappen auf, der Äquator hingegen war dunkler.
Auch der Rand schien aufgehellt. Mit der Zeit kristallisierten sich immer mehr Strukturen heraus. Das Geniale dabei ist: die
Beobachtungen sind reproduzierbar. Alles in allem war ich total beeindruckt, Wolkenstrukturen auf der Venus sehen zu können.
Und um ehrlich zu sein, war es die beste Beobachtung des Abends. Hier mal eine Zeichnung der Wolkenstrukturen:
Während die Dämmerung weiter fortschritt, trank ich eine heiße Schokolade und schaute in der Gegend herum. Auf einmal
schoss im Osten ein wunderschöner Feuerball über den Himmel: leicht grünlich bis türkis, einen Schweif aus silbrig und orange
glitzernden Funken hinter sich herziehend. Ein superschöner Anblick! Im Laufe des Abends ist mir sogar noch eine Sternschnuppe
mit Rauchspur durchs Okular geflogen. Das sah auch phänomenal gut aus. :))
Als es richtig dunkel war, bin ich ein wenig auf Kometenjagd gegangen. Momentan tummeln sich ja einige davon am Himmel. Den
Anfang machte W3 Christensen, der im Schwan sein Unwesen treibt – in unmittelbarer Nähe zum Cocoon- Nebel. Im 38er
passten beide grad so zusammen ins Okular. Bei 210x war der Komet eher klein, aber länglich mit einer zentralen Aufhellung
und einer hohen Flächenhelligkeit. Als nächstes stand ein weiterer Versuch an, T2 Cardinal zu sichten. Ich hatte mir
extra eine genaue Aufsuchkarte ausgedruckt. Ich konnte den Kometen bei 210x schließlich als sehr kleinen, diffusen Fleck
sichten, der zur Mitte hin leicht heller wurde. Bin mal gespannt, wie der sich noch entwickeln wird. Komet OF2 Broughton
war wieder mal der schönste von allen: sehr hell und groß. Ein wirklich toller Anblick. Ein wenig schwächer, aber auch
sehr schön war 144P/Kushida, der sich weiterhin im Sternbild Stier aufhält. Der beste Anblick ergab sich bei 90x mit
UHC-S. Die Koma recht ausgedehnt, im innersten Teil schnell heller werdend mit einem stellaren Nucleus. Später in der Nacht
besuchte ich noch 29P/Schwassmann- Wachmann 1, der gerade einen Ausbruch hinter sich hat und dementsprechend hell und
stellar erscheint. Könnte man fast für ein Sternchen halten, wenn da nicht die kleine Koma außen rum wäre.
Nach den ganzen Kometen ging es in den Schwan, um dort noch ein paar Objekte zu sichten. Angefangen hab ich mit Messier
39, der bei 50x mit seinen vielen hellen Sternen einfach wunderbar daherkommt. Der nächste Sternhaufen war NGC 7082
, ein großer Haufen mit knapp 70 schwächeren Sternen. Viel schöner fand ich dagegen NGC 7062, der bei kleiner
Vergrößerung wie feiner Sternstaub aussieht und sich bei 210x in einen rundlichen Haufen aus 30 schwächeren Sternen auflöst.
Weiter westlich findet sich IC 1369, der auch ein wenig sternstaubmäßig daherkommt. Sieht ebenfalls ganz nett aus. Dann
war der erste planetarische Nebel an der Reihe: NGC 7026, oder auch „Cheeseburger“ genannt. Das Ding ist schon ziemlich
klein und erst bei 300x zeigt sich seine wahre Natur. Im Prinzip besteht der PN aus zwei länglichen Nebelteilen, die
übereinander gelegt sind und wo in jedem ein hellerer Knoten enthalten ist. Ganz anders zeigte sich dagegen NGC 7048.
Eine größere, runde Scheibe mit einem dunkleren Loch in der Mitte aber leider ohne Zentralstern. Die hellen Sterne neben dran
machen den Anblick noch reizvoller.
Nun hatte ich genug vom Schwan und ich bin in die Eidechse, wo ich mich mit ein paar Sternhaufen vergnügt habe. Ganz
besonders schön fand ich NGC 7209, der ziemlich groß ist und aus hellen Sternen besteht. Aber auch ein paar nette IC-
Sternhaufen hab ich gefunden. :))
Weil der Himmel besser war als gestern, wollte ich noch mal mein Glück mit PuWe1 versuchen, der im Sternbild Luchs
zu finden ist. Die Stelle befand sich fast im Zenith, besser konnte es also gar nicht sein. Mit meinem 20er SWAN, bestückt mit
einem OIII scannte ich die Gegend ab und konnte einen extrem blassen Schimmer an der Grenze der Sichtbarkeit erahnen. Am
hellsten war der planetarische Nebel bei einer kleinen Sterngruppe, die anderen Bereiche konnte ich nur schwer mit indirektem
Sehen erkennen. Davon angespornt ging es zu Sh2-216, der nächste und größte planetarische Nebel am Himmel. Über 1.6°
ist er groß und bedeckt damit 9x die Fläche des Vollmonds. Zum Einsatz kam wieder die gleiche Kombination wie gerade eben.
Lediglich das hellste Filament konnte ich sichten, ein sehr schwach vor sich hinglimmender Nebelbogen. Mehr war von dem
riesigen Komplex nicht zu sehen. Aber immerhin besser als gar nix! ;))
Weiter ging es mit Messier 78 und ganz spannend: mit McNeils Nebel, der in den letzten Wochen sein Comeback
gefeiert hat. ;) Messier 78 zeigte sich bei 140x mit UHC-S sehr strukturiert, auch die anderen Nebelchen waren gut zu sehen.
Besonders hell erschien NGC 2071, der sich direkt neben einem helleren Stern befindet. NGC 2067 war dagegen nur eine blasse
Aufhellung von glimmender Nebelmaterie. Einfach zu sehen war NGC 2064, der als kleiner, diffuser, unregelmäßig geformter
Wattebausch in Erscheinung trat. Jetzt wurde es spannend: ich pirschte mich an McNeils Nebel heran. Dabei helfen sollten
zwei schwache Sterne, die mit Helligkeit von 15.1 bzw. 15.8mag nicht sonderlich hell und deswegen auch net wirklich hilfreich
waren. ;) Iwann hatte ich sie dann gefunden und als ich neben dran schaute, konnte ich einen sehr schwachen, länglichen
Nebelfleck erahnen. Das aber auch nur indirekt. Man braucht also schon eine große Tüte, um diesen speziellen Nebel zu sehen,
der mal sichtbar ist und ein andermal wieder verschwindet, so wie es ihm gerade passt. Jedenfalls sehr spannend das ganze.
:))
Mittlerweile stand auch der große Wagen hoch über dem Horizont, so dass ich einen weiteren Versuch unternahm, meinen
Nerv- Quasar APM 08279+5255 (wow, ich kann die Nummer sogar auswendig) zu sehen – 12.0 Milliarden Lichtjahre von der Erde
entfernt und damit das am weitesten entfernte Objekt, das man als Normalsterblicher sehen kann! Das Seeing war sehr gut, auch
bei 400x waren die Sterne punktförmig – wieder mal eine Bestätigung, dass ich keinen Gurkenspiegel hab! ;) Die Position war
schnell gefunden und dann hieß es, die richtigen Sterne zu finden. Das Problem ist, dass es in der ganzen Ecke an helleren
Sternen fehlt, so dass man bei 310x echt im dunklen steht und kaum Sterne zur Orientierung hat. Das ist es auch, was die
Beobachtung des Quasars meiner Meinung nach schwieriger macht, als sie es eigentlich ist. Iwann hatte ich dann das Dreieck
aus 14-15mag Sternchen gefunden, neben dem der Quasar stehen sollte. Nach 10 Minuten oder so blitzte es an der gesuchten
Stelle mal kurz auf und ich versuchte, vor Freude erstmal ruhig zu bleiben, da ich das Aufblitzen erstmal verifizieren wollte.
Nachdem ich das superschwache Sternchen in den folgenden Minuten aber des Öfteren immer an der gleichen Stelle aufblitzen sah,
hatte ich endlich die Gewissheit:
Ich hatte 12.0 Milliarden Jahre in die Vergangenheit geblickt. Eine unvorstellbare Zahl. Es war die Zeit, als sich die
ersten Galaxien gebildet haben, als die ersten Sterne aufgeleuchtet sind. Der Anbeginn des Universums, wie wir es heute
kennen. Es war ein sehr bewegender Moment, den ich nicht so schnell vergessen werde! :))
Nun hatte ich Blut geleckt: also gleich weiter zum Doppelquasar. Hier konnte ich neben der wunderschönen Galaxie NGC
3079 gleich das markante Trapez erkennen, nach kurzem indirekten Blick zeigte sich dann auch der Doppelquasar als
längliches Etwas. Zusammen mit der Edgeon- Galaxie ergab das einen wunderschönen Anblick, den ich in einer Zeichnung
festgehalten hab. Als krönenden Abschluss besuchte ich noch OJ 287, das mit 18 Milliarden Sonnenmassen massivste
schwarze Loch im Universum. Und als ob das noch nicht genug wäre, wird es von einem weiteren supermassiven schwarzen Loch mit
100 Millionen Sonnenmassen einmal in 12 Jahren umrundet. Kaum vorzustellen, was sich da abspielt. Von all dem war bei 210x
nicht viel zu sehen, außer ein blasses Sternchen, das direkt gut zu sehen war. Daneben noch drei kleine Galaxiechen, die mit
Helligkeiten um die 15-16mag nicht gerade zu den Brüllern gehören. ;) Auch hier hab ich eine Zeichnung gemacht:
Weiter ging es im Sternbild Zwillinge. Berkeley 29 war mein Ziel: ein offener Sternhaufen, knapp 50.000 Lichtjahre
von der Erde entfernt. Sehr weit weg also! ;) Bei 210x konnte ich neben einem mittelhellen Stern einen schwachen, diffusen
Lichtschimmer wahrnehmen, aus dem einzelne Sterne herausblitzten. Das müssen aber wohl Vordergrundsterne gewesen sein. Auch
der nächste Sternhaufen hatte es in sich: Berkeley 31, knapp 28.000 Lichtjahre entfernt. Hier war ebenfalls ein
körniges Leuchten wahrnehmbar.
Den letzten Teil der Nacht verbrachte ich mit meinen Lieblingsobjekten. Im Orionnebel sah ich mir das Trapez an
und erfreute mich an den zwei schwächeren Komponenten. Außerdem sah ich noch eine weitere Komponente ein Stückchen weg. Diese
erschien leicht rötlich, was ich sehr interessant fand. Danach schwenkte ich zum Flammennebel, der sich recht hell
mitsamt den dunklen Staubfahnen zeigte. Auch der Pferdekopfnebel war gut zu sehen. Je länger ich schaute, umso
deutlicher wurde er. Auch die Schnauze war andeutungsweise zu sehen. :)) Anschließend machte ich noch eine Zeichnung vom
„Running Man“ , den man ja sonst nur von Fotos kennt:
Dann schwenkte ich ins Einhorn, wo ich mir zuerst den Weihnachtsbaum- Sternhaufen NGC 2264 anschaute. Mit UHC-S
konnte ich auch einen helleren Nebelschleier um einen der Sterne sehen. Weiter oben fand sich dann NGC 2261, Hubbles
Veränderlicher Nebel. Bei 210x konnte ich viele Strukturen im Nebel erkennen. Ganz besonders gespannt war ich auf den
Rosettennebel. Bei 90x mit OIII waren so viele Details zu sehen, dass man das gar nicht alles beschreiben kann –
hellere Stellen, abgesprengte Nebelwolken und dunkle Rauchfahnen. Einfach phänomenal.
Dann kam ich iwie auf die Idee, mir Sirius anzuschauen. Bei 50x war ein extrem heller, glitzernder Stern zu sehen,
der wie wild vor sich hinfunkelte. Ich machte Musik an, zog mir mein schwarzes Tuch über den Kopf und verbrachte über eine
Viertelstunde damit, dem Glitzern zuzuschauen. Man fühlt sich, als würde man direkt vor dem Stern im Weltraum schweben. Hat
was total Entspannendes. :))) Jedenfalls ist es total cool, Sirius mit knapp nem halben Meter Öffnung anzuschauen!
Zum Abschluss besuchte ich noch den Sternhaufen Messier 46, der wild vor sich hinglitzerte und auch Messier 47
, in dem ich den kleinen planetarischen Nebel NGC 2438 sichten konnte. Bei 210x mit OIII zeigte sich ein runder
Rauchkringel, der dem Ringnebel in einem 11cm Teleskop in nichts nachsteht. Das letzte Objekt war dann das „Quietsche-
Entchen“ NGC 2359, das ich bei 140x mit OIII in all seiner Pracht bewundern konnte. Für mich ein wunderschöner Abschluss.
Mittlerweile war die Temperatur auf -8°C gesunken und alles von einer dicken Reifschicht überzogen.